Titelbild Quelle: https://www.pngwing.com/de/free-png-djkxw/download , 26.06.2023, 10:30 Uhr

Zuerst wie es (dieses Mal) dazu kam

Wir wollten einen sehr umfangreichen Antrag ausfüllen. Das hatten wir schon einmal vor einem halben Jahr etwa getan, ihn dann aber nicht abgeschickt, weil wir durch neue Erkenntnisse bemerkt hatten, dass das zu dem Zeitpunkt noch nicht notwendig war. Der Antrag war bei der Versicherung auf bestimmte Zeit gespeichert, aber wir hatten ihn zur Sicherheit noch mal ausgedruckt.

So weit, so gut.


Heute haben wir uns gemeinsam wieder aufgemacht, um den Antrag nun noch einmal durchzuschauen und nun wirklich abzuschicken.
Ich habe den Ordner geholt und den alten Antrag ausgeheftet. Die Zugangsdaten hatte ich auch notiert. Also haben wir angefangen.

Schon beim Einloggen hat sich mein Nacken zusammengezogen. Ich bekam die Hektik, weil ich das Passwort nicht richtig eingegeben hatte. Ich habe schon immer Schwierigkeiten damit, wenn mir jemand auf die Finger guckt. Oder habe ich das Passwort falsch eingegeben, weil ich die Hektik hatte? Keine Ahnung was Huhn und was Ei war.

Ich bat H. sich an die Tastatur zu setzen und zu tippen.
Das Einloggen hat auch bei ihm nicht funktioniert, weil die Zeit der Datenspeicherung abgelaufen war. Gespeichert wurde nur 30 Tage, nicht 6 Monate. Also ist auch der Antrag nicht mehr gespeichert. Gut, dass ich alles ausgedruckt hatte!
Es lag also nicht an mir, aber ich war „angeschossen“.

Die Neunmeldung ging problemlos. Die ersten Fragen waren einfach, bzw. konnten wir aus dem alten Ausdruck übernehmen. Dann kam eine Frage, bei der sich inzwischen die Datenlage geändert hat. Ich musste dazu einige Fakten aus den Ordnern raussuchen. Und dann ging es los….

Ich bin aufgestanden und habe alle Ordner geholt, die irgendwie mit dem Antrag, mit Gesundheit, mit Arbeitsamt und mit Arbeitgeber zusammenhängen. Ich habe alle geholt, weil ich inzwischen die Frage vergessen hatte. Ich wusste nicht mehr, was ich eigentlich nachschauen wollte. Ich wurde noch unsicherer, als ich es eh schon war. Ich wühlte in den Ordnern, ohne eigentlich zu wissen, was ich eigentlich suche. Ich wurde immer zittriger und blätterte ohne Konzept die Ordner durch.
H. wartete, dass ich diesen Zettel finde und ihm die Information zum Eintippen gebe. Ich sah ihn sitzen und warten und ich wühlte und suchte, ohne zu wissen wonach.

Kennt ihr noch die Sanduhr von Windows xp, die sich vor einem grauen Bildschirm drehte, wenn der Arbeitsspeicher überfüllt war? „Overflow“ nennen das die Fachleute.
Es blieb einem nichts weiter übrig als abzuwarten, bis der Rechner alle Eingaben abgearbeitet hatte.
Das beschreibt ziemlich genau den Zustand zu dem gerade beschriebenen Zeitpunkt.

Analyse: Warum ist es wieder so weit gekommen und wie könnte es besser laufen?

Die Situation einen Antrag auszufüllen ist für mich sehr schwierig, weil ich mich dabei sehr konzentrieren muss. Ich muss die Frage richtig verstehen, die Antwort genau überlegen und ich darf mich nicht verschreiben, da man Anträge nicht mit dem Bleistift ausfüllen darf, wo man schnell mal etwas korrigieren kann, sondern mit dem Kuli ausfüllen muss.


Einen Antrag am Computer auszufüllen ist noch schwieriger, weil meist eine Auslogzeit mitläuft (die „Termindruck“ ausübt) und weil man oft nicht mehr die Frage sieht, wenn man zum Antwortfeld oder zu dem möglichen Antworten runterscrollt. Mein Kurzzeitgedächtnis ist zurzeit so schlecht, dass ich bei der Überlegung zu der Antwort, immer wieder einen Blick auf die Frage werfen muss. Oder will? Ist es immer das Kurzzeitgedächtnis oder ist es die Unsicherheit? Fehlt mir oft nur das nötige Selbstvertrauen die Antwort auch ohne Rückversicherung durch das ständige Lesen der Frage zu finden?
Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem.

Lösungsversuch für diesen Antrag

Ich habe mit H. geredet und habe ihm erklärt, dass ich mit seinem Tempo nicht mitgekommen bin. Ich habe mich unter Druck gesetzt gefühlt, obwohl er mich wirklich nicht geschoben hat. Es war einfach nur mein Gefühl. Daraus ist dann die Situation in mir eskaliert.

Ich habe vorgeschlagen, dass ich den Antrag allein ausfülle und abspeichere, auch wenn ich dafür 3 Tage brauche und wir im Anschluss alles noch einmal gemeinsam durchgehen.

H. hat vorgeschlagen, dass er das, was man aus dem alten Antrag übernehmen kann, in den neuen Antrag überträgt und wir uns anschließend gemeinsam um die wenigen Fragen kümmern, die neu beantwortet werden müssen.

Genau weiß ich nicht, welche Variante besser ist. Ist es besser, wenn ich den Antrag erst mal selbst ausfülle und mich dabei fordere, oder ist es besser, wenn ich H. den Großteil machen lasse und mich hängen lasse? Ist es hängen lassen oder Hilfe annehme?

Vorteile, wenn ich den Antrag ausfülle:

  • Ich bin in Anschluss vielleicht stolz darauf, es geschafft zu haben

Nachteile, wenn ich den Antrag ausfülle:

  • es wird lange dauern
  • Ich muss gegen meine Anspannung kämpfen und mich gleichzeitig konzentrieren
  • Wir müssen den gesamten Antrag gemeinsam noch einmal kontrollieren

Vorteile, wenn H. den Antrag ausfüllt:

  • Ich habe mich nicht mit einer hohen Anspannung quälen müssen
  • Ich habe mehr Kraft für die dann noch unbeantworteten Fragen
  • Ich habe mehr Kraft für andere Dinge
  • Ich habe Hilfe annehmen können
  • Ich habe mehr Kraft für den Rest des Tages

Nachtrag:

Am Ende hat H. den Antrag ausgefüllt. Die Frage „Haben sie selbst den Antrag ausgefüllt, oder hat es jemand für sie gemacht?“ (sinngemäß), haben wir ehrlich ausgefüllt und ich die dazu gehörende Vollmacht unterschrieben. Ich habe Angst, dass ich bei eventuellen bei Rückfragen nicht handlungsfähig bin, bzw. Fragen nicht beantworten kann, weil ich in dem Moment nicht in der Lage sehe, diesen ganzen „Behördenwust“ allein zu händeln.