Vorsicht, das ist der längste Artikel, den ich je geschrieben habe! 😉 Ich hoffe, ich verschrecke euch nicht!

Was ist das??

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung. Es ist keine Allergie, keine Erfindung der Neuzeit und keine Modeerscheinung.

Wie viele Menschen sind davon betroffen?

Offiziell haben etwa 1 % der deutschen Bevölkerung Zöliakie. Da die Erkrankung nicht immer erkannt wird und es viele Erkrankte ohne Sympthome gibt, geht man davon aus, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist.

Was sind die Sympthome?

Zöliakie hat tausend Gesichter. Wie geschrieben, manche Betroffene haben gar keine Symphome. Bei denen wird die Krankheit nie entdeckt, bei manchen bringt ein Zufall die Diagnose.

Die häufigsten Sympthome sind aber:

  • Bauchschmerzen
  • Verdauungsstörungen
  • Erbrechen
  • Kopfschmerzen oder Migräne
  • Müdigkeit
  • Depressive Verstimmung
  • Gewichtsverlust
  • bei Kindern Wachstumsstörungen
  • Kalziummangel
  • Eisenmangel
  • usw.

Zöliakie tritt häufig mit Begleitbeschwerden auf. Dazu gehören:

  • Frühgeburt
  • Kleinwuchs
  • Entwicklungsstörungen bei Kindern
  • Muskelschwäche
  • Osteoporose
  • anderen Autoimmunerkrankungen, wie Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen …

Wie wird Zöliakie diagnostiziert?

Durch eine Blutuntesuchung und eine Gewebsprobe aus dem Dünndarm (Biobsie).
Da die Veranlagung zur Zöliakie vererbbar ist, ist nach der Diagnosestellung eines Familienmitglieds ein Familienscreening sinnvoll.

Wie wird Zöliakie behandelt?

Zöliakie ist nicht heilbar. Es gibt auch kein Medikament dagegen. Betroffene müssen eine strenge glutenfreie Diät einhalten, um ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Sie sind dafür selbst verantwortlich.

Was heißt strenge glutenfreie Diät und wo ist Gluten enthalten?

Gluten ist in allen Getreidesorten, wie Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste, Einkorn und Emmer enthalten. Hafer ist von Natur aus glutenfrei, jedoch ist Hafer aus dem normalen Ladensortiment stark mit Gerste oder Weizen verunreinigt, so dass dieser für Zöliakiepatienten ungeeignet ist.

Lebensmittel, die als glutenfrei gelten, dürfen nur maximal 20 ppm Gluten enthalten.

ppm bedeutet parts per million = ein Millionstel = 11 * 10-6  =  0,000 001

In der Praxis sind das 0,02 Gramm Gluten pro Kilogramm Lebensmittel.

Aus diesen Zahlen erkennet man schon, dass selbst ein normaler Brotkrümel über dieser Grenze liegt.

Menschen mit Zöliakie müssen also strengstens darauf achten, dass kein Gluten in ihrer Nahrung ist.

Wie wirkt sich Gluten auf den Körper aus?

Gluten führt zu einer Entzündungsreaktion der Darmschleimhaut, wodurch die Darmzotten zerstört werden. Die Zotten sind für die Aufnahme der Nährstoffe zuständig. Durch die Zerstörung der Darmzotten wird die Oberfläche des Darms erheblich kleiner. Nährstoffe können nicht mehr richtig aufgenommen werden.

Was passiert, wenn man sich nicht an die strenge Diät hält?

Die Folge sind Nährstoffmangel, der meist als erstes als Kalzium- und Eisenmangel ersichtlich ist. Auch der Mangel an Vitaminen und Folsäure sind einige der Folgen.

Auswirkungen dieser Unterversorgung sind dann Osteoporose, Zahnschmelzdefekte, Augenerkrankungen usw.

Durch die Dauerentzündung des Darms ist Gefahr einer Darmkrebserkrankung um ein Vielfaches höher, als bei gesunden Menschen, bzw. bei Menschen mit Zöliakie, die die Diät streng einhalten.

Daher gilt der Grundsatz: „Iss nichts, wovon du nicht 100%ig weißt, dass es glutenfrei ist!“

Wie lebt es sich mit Zöliakie?

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Zöliakie im Alltag: Zu Hause, und so geht es wohl den meisten, ist es am einfachsten. Die Abläufe werden neu organisiert und mit der Zeit schleift es sich  ein. Dass man für glutenfreies Essen ein anderes Brettchen verwendet, als für „normales“ Essen, wird normal. Auch dass in der Küche zwei Toster stehen, wundert nur noch Leute, die zum ersten mal zu uns kommen. 😉

Kochen mit Zöliakie: Wie ihr in meinem Beitrag Ich reiße nicht auf – ich koche! geschrieben habe, verweden ich zu Kochen keine Fertig- oder Halbfertigprodukte. Auch Würzmischungen gibt es bei mir nicht. Das hat den Vorteil, dass ich nicht darauf auchten muss, dass der Tüteninhalt glutenfrei ist. Fleisch, Gemüse, Kartoffeln, Milch, Joghurt … sind von Natur aus glutenfrei.
Da ich noch richtig kochen gelernt habe und vor meiner Diagnose kaum anders gekocht habe, fällt mir das nicht schwer.

Backen mit Zölikie: Backen braucht etwas Übung. Irgendwann hat man den Bogen raus. Zum Backen gibt es jetzt die verschiedensten Mehlmischungen fertig zu kaufen. Da mir aber der Inhalt und der Preis dazu nicht gefällt, mische ich mein Mehl selbst. 😉

Zöliakie auf der Arbeit: Die Arbeitskollegen werden früher oder später mitbekommen, dass man nicht den angebotenen Geburtstagskuchen mit isst, daher halte ich es nicht für sinnvoll, ein Geheimnis daraus zu machen.
Ich habe mit meine Kollegen bei einer passenden Gelegenheit darüber gesprochen. Jetzt weiß zumindest jeder Bescheid.
Mittagessen und Snacks nimmt man natürlich von zu Hause mit. (Nur in wenigen Firmen gibt es eine Kantine, die zuverlässig glutenfreies Essen anbietet.)

Zöliakie im Kindergarten- oder Schulalter: Kinder haben es weitaus schwerer, als Erwachsene. Sie sind immer irgendwie ausgeschlossen. Schokoriegel, Eis in der Waffel, Kekse, Muffins beim Kindergeburtstag, Mensa in der Schule- immer müssen sie sich erklären. Immer müssen sie stark sein und „NEIN“ sagen. Sie müssen sehr früh eine große Verantwortung tragen, um ihre Gesundheit nicht zu gefährden.
Kleine Zölis brauchen Eltern, die ihnen den Rücken stärken! Sie brauchen keine Eltern, die sie in Watte packen! (Während ich diesen Absatz schreibe, stehen mir die Tränen in den Augen, denn ich hatte so ein Zölikind. Jetzt ist es erwachen und macht halbe Weltreisen mit dieser Krankheit. Ich bin nicht nur deswegen stolz auf dich!!!)

Zöliakie und Essen gehen: Das ist in Deutschland ein weitaus größeres Hindernis als z.B. in Spanien. Adressen von Gaststätten werden in den entsprechenden Foren ausgetauscht, weil jeder weiß wie schwierig es ist.
Bei Familienfeiern im Restaurant geht es (fast) nie, ohne Vorabgespräch mit dem Koch.

Zöliakie auf Reisen: Eine Reise muss immer gut vorbereitet werden. Entweder man sucht sich ein Hotel, was glutenfreies Essen anbietet, oder man sucht sich eine Unterkunft in der man selbst kochen kann.
Hotels mit dem entsprenchenden Essensangebot gibt es nicht viele. Meist sind diese auch recht teuer, weswegen wir uns auf Reisen in Ferienwohnungen „spezialisiert“ haben.

Organisierte Rundtouren, wie es sie z.B. durch Kanada gibt, sind fast ausgeschlossen, denn es müssten alle Unterkünfte angefragt werden und es darf keine Änderung im Ablaufplan geben. Essen für 2-3 Wochen mitzunehmen ist bei einer Gruppenreise schwierig.

Selbst organisierte Rundtouren hingegen, sind mit viel Vorbereitung machbar. Da dauert die Recherche vorab länger, als die Reise, aber es geht! 🙂

Das schlimmste an Zöliakie ist, dass die ganze Familie davon betroffen ist, auch wenn nur einer erkrankt ist.

Also unterm Strich: Man kann mit Zöliakie gut leben, wenn man die entsprechenden Rahmenbedingungen einhält. Das „mit“ habe ich bewusst unterstrichen, denn erst wenn man diese Erkrankung als einen Teil von sich anerkannt hat, kann man das Leben wieder genießen. Wenn man sich ständig bedauert, wird man nicht glücklich.

Nicht zuletzt, weil ich eine Familie habe, die mich unterstütz, wo sie nur kann, kann ich kann von mir sagen: Ja, ich bin ZÖLI und ich kann damit gut leben!
Ich danke euch!!!
🙂